
Steckbrief Agilität
Agilität: Was ist das eigentlich?
Der Ursprung des Konzepts liegt in den 1950er-Jahren. Der amerikanische Soziologe Talcott Parsons formulierte vier Anforderungen, die jedes System bzw. Unternehmen erfüllen muss, damit es erfolgreich und stabil existieren kann. Ein System bzw. Unternehmen muss fähig sein:
- Adaption - auf äußere Bedingungen zu reagieren
- Goal Attainment - Ziele zu definieren und zu verfolgen
- Integration - Zusammenhalt herzustellen und zu gewähren und
- Latency - grundlegende Strukturen aufrechtzuerhalten.
Aus den Anfangsbuchstaben der englischen Begriffe wird das AGIL-Schema, das diese vier Anforderungen zusammenfasst.
In der Praxis sind daraus Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit, Kundenfokus und Mindset geworden.
- Unter Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit versteht man, dass Unternehmen und Organisationen schnell und dynamisch auf plötzlich eintretende Veränderungen reagieren müssen.
- Der Kundenfokus nimmt die zentrale Rolle ein und profitiert von der hohen Anpassungsfähigkeit eines agilen Unternehmens. Gewährleistet wird dies beispielsweise durch kurze Produktentwicklungszyklen und iteratives Arbeiten – also das Voranschreiten in verhältnismäßig kleinen Schritten.
- Essenziell ist vor allem das agile Mindset, welches neben anderem bedeutet, auf Augenhöhe und wertschätzend miteinander zu arbeiten.
Ob im agilen Projektmanagement mit Scrum, im Innovationsmanagement mit Design Thinking oder mit agilen Organisationsformen wie Holacracy, immer geht es dabei um Teams, die sich aus Experten verschiedener Disziplinen (cross-funktional) zusammensetzen, und die in kollaborativer Zusammenarbeit* die Probleme einer definierten Personengruppe lösen. Die Teams übernehmen ganzheitliche Verantwortung für ihr Produkt oder ihre Dienstleistung, lernen von ihren Kunden und treffen alle nötigen Entscheidungen eigenständig.
Es gilt der Grundsatz „Prinzipien über Praktiken“ – ein erfolgreiches Team wird sich die richtigen Methoden wählen, nicht aber der Methoden wegen erfolgreich sein.
Auf dem Weg zur agilen Organisation wandeln sich Unternehmen in der Folge, neben den Formen der Zusammenarbeit, auch in den Bereichen Führung und Organisationsstruktur, denn Teams übernehmen teilweise Managementaufgaben bis hin zur vollständigen Selbstführung. Das bedeutet, dass auch die Führungskräfte ein neues Rollen- und Führungsverständnis brauchen.
*Kollaboratives Arbeiten bedeutet eine engere Form der Zusammenarbeit. Alle beteiligten Mitarbeiter können gemeinsam und gleichzeitig ein Projekt bearbeiten. Dies wird beispielsweise möglich, indem Dokumente digital von mehreren Personen gleichzeitig bearbeitet werden können.
Einige Begriffe tauchen im agilen Kontext immer wieder auf, die wir hier kurz erläutern möchten:
Inkrementell
Unter inkrementell versteht man, dass ein Produkt nacheinander in Inkrementen, d.h. Teilprodukten, die aufeinander aufbauen, ausgeliefert wird. Das Vorgehen ist schrittweise und aufeinander aufbauend. Um frühzeitiges Feedback zu ermöglichen, muss regelmäßig ein funktionierendes Zwischenprodukt geschaffen werden, um es testen zu können. Dies wäre nicht möglich, wenn das Produkt erst am Ende der gesamten Entwicklung verfügbar ist.
Iterativ
Iterativ bezeichnet ein Projektvorgehen, das in immer wiederkehrenden, relativ kurzen Phasen und Zyklen erfolgt. Bei Scrum sind das meistens 2- oder 4-Wochen-Zyklen. Das Prinzip der iterativen Produktentwicklung beruht darauf, dass ein Produkt durch permanente Wiederholungen (Iterationen) schrittweise optimiert und zur Anwendungsfähigkeit gebracht wird. Am Anfang des Entwicklungsprozesses steht eine Anwendungs- oder Produktidee, die in kleinteiligen Schritten umgesetzt wird. Ein einzelner Zyklus wird dabei als Iteration bezeichnet.
Mindset
Vereinfacht ausgedrückt bedeutet agiles Arbeiten zu 90% Mindset und nur zu 10% Methode. Ohne das richtige Mindset (Geisteshaltung, Mentalität) der Beteiligten wird die Einführung von agilen Methoden nicht die erhofften Effekte bringen. Ein entscheidender Punkt für dieses Mindset ist der Umgang mit Ungewissheit: Auf allen Ebenen der Organisation muss erlernt werden, Ungewissheit zuzulassen, Glaubenssätze zu hinterfragen und sich Stück für Stück der konkreten Lösung für vorhandener Probleme anzunähern. Dazu gehört der Aufbau einer Lernkultur, in der auch Fehler toleriert werden. Das bedeutet auch, dass man - insbesondere zu Beginn - ein Stück der Effizienz (die Dinge richtig tun) einbüßt, um effektiver werden zu können (die richtigen Dinge tun). Das Mindset wird mit den agilen Werten (-> siehe Steckbrief „Agile Werte“) beschrieben.
Kundenfokus
Kundenfokus - der Fokus dieses Vorgehens liegt auf einem frühen Markteintritt, mit dem Ziel möglichst schnell Feedback vom Markt und den Kunden zu erhalten. Dieses Feedback fließt dann in die nächsten Entwicklungszyklen/Iterationen ein. So entsteht schnell ein Produkt, welches am Markt ist und sich gleichzeitig fortlaufend verbessert und damit im Kundenwert steigt.
MVP
MVP steht für „Minimum Viable Product“, wörtlich übersetzt ein „minimal überlebensfähiges Produkt“. Sinngemäß übersetzt bedeutet MVP die Veröffentlichung eines Produkts/Services in seinem minimal möglichen Funktionsumfang. Es dient dazu, um mit geringem Aufwand den Kunden-, Markt- oder Funktionsbedarf zu decken und handlungsrelevantes Feedback zu gewährleisten. Mit dieser Herangehensweise wird das Risiko in eine falsche Richtung zu investieren gesenkt. Darüber hinaus kann die Time-to-Market-Dauer beschleunigt werden und frühzeitig Feedback eingeholt werden.