Steckbrief Retrospektive
Steckbrief Retrospektive
Die beste Möglichkeit, im Team gemeinsam besser zu werden, ist, in regelmäßigen Abständen eine Retrospektive durchzuführen. Egal ob ein Team agil arbeitet oder nicht, die Retrospektive bietet einen guten Rahmen, um für Effektivität und exzellente Ergebnisse zu sorgen.
Die größten Stellschrauben, die wir heute haben, liegen nicht in der Effizienz Einzelner, sondern in dem Wie wir miteinander arbeiten. Und genau darum geht es in der Retrospektive: Ziel einer Retrospektive ist es, dass das Team gemeinsam Maßnahmen und Regeln, die Schwierigkeiten entgegenwirken sollen, aufstellt. Es geht um Kommunikation, Schnittstellen, Prozesse, die Menschen und um die Beziehungen zueinander. Darum, wie wir miteinander arbeiten. Das Ziel ist das WIE kontinuierlich in kleinen Schritten zu verbessern.
Im stressigen Projektalltag überspringen (agile) Teams allzu häufig die Reflexion. Statt sich und ihre Arbeitsweise stetig zu hinterfragen, wird die Zeit lieber für operative Projektaufgaben genutzt. Das ist allerdings, wenn man auf die Gesamt-Effektivität und Qualität der Ergebnisse sieht, eine sehr kurzfristige Perspektive und zahlt sich auf lange Sicht nicht aus.
Die Retrospektive findet idealerweise in regelmäßigen Zeitintervallen statt – beispielsweise alle 4 Wochen, nach einem Sprint oder mindestens alle 2-3 Monate für nicht-agile Teams. Die Retrospektive dauert, je nachdem wie häufig sie stattfindet, etwa 90-180 Minuten.
Damit jede Retrospektive auch konkrete Maßnahmen hervorbringt, folgt die Methode einem festen Raster mit sechs Phasen:
Phase 0 – Intro
In dieser Phase stellt die Moderation den Ablauf vor. Wenn es keinen agilen Coach gibt, der oder die hierfür ausgebildet ist, empfiehlt es sich die Moderation innerhalb des Teams zu wechseln. Es sollte nicht Aufgabe der Führungskraft sein, die Retrospektive zu leiten.
Die Moderation weist auf zwei wichtige Regeln hin: die Vegas-Regel und die Prime Direktive.
Die Vegas-Regel besagt: „Alles, was wir in dieser Retrospektive besprechen, bleibt unter uns.“ So entsteht ein geschützter Raum, in dem sich jede*r traut, offen und ehrlich seine/ihre Meinung zu sagen.
Die Prime Direktive besagt: „Unabhängig davon, was wir entdecken, verstehen wir und glauben fest daran, dass jede*r zu dem aktuellen Zeitpunkt den besten Job gemacht hat, den er oder sie mit dem verfügbaren Wissen, den vorhandenen Ressourcen und den individuellen Fähigkeiten machen konnte.“ Diese Regel sorgt für eine lösungsorientierte Diskussion, ohne gegenseitige Schuldzuweisungen, die nicht zielführend sind.
Wenn das Team mit Retrospektiven noch nicht erfahren ist, empfiehlt es sich zu Beginn eine Sicherheitsabfrage zu machen, in der geklärt wird, inwieweit die Offenheit sich zu den Themen zu äußern gegeben ist, und inwieweit die notwendige psychologische Sicherheit (siehe Blogbeitrag dazu) gegeben ist.
Phase 1 – Set The Stage (Den Boden bereiten)
Nachdem die Regeln und der Ablauf allen klar sind, stimmt die erste Phase die Teilnehmenden auf die Retrospektive ein. Wichtig ist in dieser Phase, dass alle einmal zu Wort kommen, das jede*r gehört wird. Das Team sammelt erste Eindrücke und verschafft sich einen Überblick, entweder über ein konkretes Thema, um das es in der Retrospektive gehen soll, oder allgemein, wie jede*r die Zusammenarbeit erlebt, was gut läuft und was schwierig ist.
Phase 2 – Gather Data (Daten sammeln)
In der zweiten Phase werden die Fakten und die verschiedenen Perspektiven zusammengetragen: Es können sowohl harte Fakten als auch Bauchgefühle geäußert werden. Die Moderation sollte lediglich darauf achten, dass in dieser Phase nicht schon nach Ursachen oder Lösungsmöglichkeiten gesucht wird. Hier geht es vor allem darum, das Thema breit zu beleuchten und die verschiedenen Perspektiven und Problemwahrnehmungen zu verstehen.
Phase 3 – Generate Insights (Ursachen verstehen)
Falls nicht schon zu Beginn passiert, legt das Team in der dritten Phase das Thema fest, das weiter bearbeitet werden soll. Jetzt geht es an die Suche nach den Ursachen. Vorher ging es um die Symptomebene, jetzt ist die Frage, was steckt dahinter. Eine Schwierigkeit kann hier der so genannte „rosa Elefant“ sein. Das heißt Teammitglieder trauen sich nicht, etwas anzusprechen, weil sie anderen Anwesenden nicht auf die Füße treten wollen, oder weil es sich um tabuisierte Themen handelt. Hier sind Geduld und eine einfühlsame und gleichzeitig mutige Moderation gefragt. Je vertrauter die Retrospektive wird, desto offener werden die Teilnehmenden in der Regel. Die Moderation sollte auch in dieser Phase darauf achten, dass das Gespräch nicht abschweift und bereits auf Lösungsmöglichkeiten umschwenkt.
Phase 4 – Decide What To Do (Entscheidungen treffen)
In Phase 4 entwickelt das Team Handlungsoptionen für das ausgearbeitete Thema und dessen Ursachen. Das können konkrete To Dos für eine oder mehrere Personen sein, aber auch neue Teamregeln, die für alle gelten. Entscheidend ist, dass die vereinbarten Maßnahmen konkret und umsetzbar sind. Nur so ist im Anschluss nachvollziehbar, ob und welche Wirkung sie hatten. Es sollten nicht mehr als zwei bis drei kleine Maßnahmen vereinbart werden, da die Umsetzung sonst im Arbeitsalltag nicht möglich ist. Die Moderation achtet auf die Umsetzbarkeit sowie Messbarkeit der vereinbarten Maßnahmen.
Phase 5– Close the Retro (Abschluss)
In der letzten Phase lassen die Teammitglieder unter Anleitung des Coachs die Retrospektive Revue passieren. Was hat gut funktioniert, was sollte verbessert werden? So wird auch die Vorgehensweise selbst regelmäßig auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls optimiert. In dieser Phase sollte auch Platz für die gegenseitige Wertschätzung und die Wahrnehmung des gemeinsam Erreichten sein, damit die Retrospektive mit Energie und Freude abgeschlossen werden kann.
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