
"Agile Verwaltung" - geht das eigentlich?
„Agile Verwaltung“ – geht das eigentlich?
Wie andere Organisationen sehen sich öffentliche Verwaltungen vielfältigen Anforderungen ausgesetzt: Sie sollen flexibler agieren, innovativer werden, permanent auf Veränderungen reagieren, mit Unvorhersehbarkeit und Komplexität umgehen. Einerseits. Dabei müssen sie einen Spagat meistern, denn andererseits sollen sie gleichzeitig Stabilität, Verbindlichkeit, Gesetzestreue und Verlässlichkeit garantieren.
Agile Arbeitsweisen tauchen auch in der öffentlichen Verwaltung immer mehr auf – oft verbunden mit Stichworten wie „Zusammenarbeit in der digitalen Welt“, „Verwaltung der Zukunft“ oder „Arbeit 4.0“. In einigen Ministerien begleiten wir Modellprojekte, die sehr deutlich machen, dass viele der agilen Tools auch für die öffentliche Verwaltung eine sinnvolle Ergänzung darstellen, ohne dass die Hierarchie deshalb völlig auf den Kopf gestellt werden muss.
Hier eine Auswahl an Denk- und Arbeitsweisen, die einen ersten Eindruck geben, was in der agilen Welt anders sein kann:
- Selbstorganisation und unterschiedliche Perspektiven nutzen: Silodenken aufbrechen, Leute aus verschiedenen Organisationsbereichen, Teams, Gruppen zusammenbringen, die dann selbstgesteuert zusammenarbeiten. Dazu kommt eine intensive Zusammenarbeit mit Interessensgruppen.
- Vorgehen in kurzen Feedback-Schleifen – „Ausprobieren statt Ausdiskutieren“. Veränderungen werden nicht mehr von A bis Z durchgeplant (und dann kommt doch alles anders…). Stattdessen geht es darum, schnell in die Umsetzung zu kommen, Dinge auszuprobieren, Feedback einzuholen, Erfahrungen auszuwerten – und gegebenenfalls dabei aus Fehlern zu lernen. Das heißt auch, dass sich eine Fehlerkultur entwickelt, die nicht mehr nach dem Prinzip „Melden macht frei“ funktioniert, sondern in der Menschen Verantwortung übernehmen und Fehler machen dürfen.
- Besprechungen beleben: Zu einem zyklischen Vorgehen gehört auch, dass man sich häufiger, dafür aber kürzer und zielgerichteter abstimmt. Besprechungen werden gut vorstrukturiert, und aktivierende Methoden sorgen dafür, dass alle Teilnehmenden konzentriert mitmachen und dabei „auf den Punkt kommen“. Die Besprechungsdauer verkürzt sich deutlich, die Arbeitsintensität und die Verbindlichkeit steigt.
- „Timeboxing“: Die Idee, durch vereinbarte feste Zeitfenster die Kommunikation und das Handeln zu fokussieren (z. B. feste Zeitfenster für TOPs in Besprechungen, oder ein fester Turnus für Abstimmungstreffen). Timeboxing hilft bei der Fokussierung und der Selbststeuerung.
- Auf Visualisierung und Transparenz setzen: So kann man z. B. Aufgaben mit einem Kanban-Board organisieren, um so den Arbeitsprozess für alle sichtbar zu machen und sich dann auch vor diesem Board besprechen.
Agile Methoden haben den Charme, dass sie einfach zu verstehen und oft sehr spielerisch angelegt sind, ohne dass ihnen die Ernsthaftigkeit dahinter fehlt. Die Schlussfolgerung, dass sie daher auch „mal eben“ eingeführt werden können, gilt jedoch nicht. Denn die neuen Arbeitsweisen bringen Veränderungen der Organisations- und Führungskultur mit sich, die sehr tiefgreifend sein können. Die agilen Arbeitsweisen müssen sorgfältig an die Erfordernisse des Teams angepasst werden, damit daraus ein wirklicher Nutzen und Mehrwert entsteht.
Folgende Grundprinzipien sollten beachtet werden:
- Das Ganze in den Blick nehmen,
- Cross-funktionale Teams bilden, wo es möglich ist,
- mit überschaubaren Änderungen und Teilergebnissen experimentieren,
- die Anspruchsberechtigten einbeziehen,
- sich regelmäßiges Feedback von innen und außen verschaffen
- und so sein System immer angemessener machen.
Das heißt, agil werden ist ein Prozess, der Schritt für Schritt abläuft, ohne das Ganze aus dem Blick zu verlieren. So besteht eine große Chance, dass die agile Arbeitsweise dazu führt, Mitarbeiter*Innen zu motivieren und die Eigenverantwortung zu aktivieren. Das führt in der Folge häufig auch dazu, dass mehr motivierte, interessierte und gestaltungswillige Menschen angezogen werden.
Welche Chance geben Sie der Agilität in der öffentlichen Verwaltung? Schreiben Sie Ihre Einschätzung dazu in die Kommentare.
Dieser Beitrag ist angelehnt und teilweise übernommen von einem Beitrag von Dorothea Herrmann aus dem "Forum Agile Verwaltung". Das Foto stammt ebenso vom Forum Agile Verwaltung (https://agile-verwaltung.org/konferenz-agile-verwa...)